Strafvollzug

Foto: NOTHilfe e.V.

Für uns ist zunächst unerheblich, welches Delikt zu einer Haftstrafe geführt hat. Umso bedeutsamer ist aber die individuelle Lebensgeschichte und insbesondere, ob der Gefangene ernsthaft gewillt ist, nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis ein „neues“ Leben – eines ohne Straftaten – zu beginnen.

Das die immer noch weitverbreitete Meinung einmal Knacki, immer Knacki“ grundsätzlich nicht stimmt, zeigt sich am Fall des Herrn R., der zunächst lange auf der Flucht war. Selbst in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ ist nach ihm gefahndet worden.

Herr R. beging Raubüberfälle. Seine Haftzeit von mehr als 8 Jahren nutzte er intelligenterweise für eine Schreinerausbildung, um anschließend das Fachabitur nachzuholen. Als Freigänger begann er schließlich ein Studium an der Katholischen Hochschule Freiburg und schloß dieses erstaunlich gut ab. Seitdem ist Herr R. nicht mehr straffällig geworden – im Gegenteil.

Als Diplom-Sozialpädagoge kümmerte er sich zunächst um KlientInnen mit Drogenproblemen und ist gesellschaftlich bestens integriert.

Zugegeben – solche anhaltend positiven Entwicklungen erlebt der NOTHilfe e.V. nicht allzu oft.

Foto: Ministerium der Justiz und für Europa Baden-Württemberg

Foto: Ministerium der Justiz und für Europa Baden-Württemberg

Zunächst einmal ist Kontinuität wichtig, damit gegenseitiges Vertrauen wachsen kann. Wir besuchen deshalb immer die gleichen Inhaftierten, halten mit ihnen Brief- und Telefonkontakt, vermitteln bei Auseinandersetzungen innerhalb der Haftanstalt und im Angehörigenumfeld, begleiten Ausgänge in der Lockerungsphase, unterstützten bei Arbeitsplatz- und Wohnungssuche. Es werden alle Maßnahmen ergriffen, die für einen gelingenden Neuanfang sinnvoll erscheinen.

Geschätzt wird von den Gefangenen, das sie ungefiltert reden können, keine Nachteile zu befürchten haben, wenn sie Kritik äußern und ungeschönt ihre Biographie preisgeben. Sie dürfen sich absoluter Diskretion sicher sein, bei Besuchen weinen, sich Frust von der Seele reden und dabei auch lauter werden – sie erfahren ein vorurteilsfreies Dasein, Zuhören und Ernstnehmen ohne Zeitdruck.

Auch nach der Haftentlassung wird die Verbindung gehalten, oft sogar noch intensiviert. Gerade dann zeigen sich häufig – weitere – Defizite, die eigentlich immer ein betreutes Wohnen empfehlen.

OASiS – Das sozialpädagogische KulturHaus wäre also auch hier gefragt, damit sich gute Vorsätze weiterentwickeln lassen.

In Kontakt mit den Strafgefangenen kommt der NOTHilfe e.V. hauptsächlich in Verbindung mit seiner Kulturarbeit, die auch hinter Gefängnismauern stattfindet.

Zu einem „Wunschkonzert“ ist der Pianist Valerij Petasch in die JVA Ravensburg gekommen, der an der Universität Ulm die Meisterklasse Klavier (Studium generale) leitet.

                                                                 Foto: NOTHilfe e.V.

Schon einige Male war Pfarrer Stephan Neß mit seiner Schauspielgruppe dabei (Foto), die mit Singspielen und szenischen Darstellungen für spannende Kontraste sorgte.

                                                             Foto: Wolfgang Fendt

Der Pantomime Wolfgang Fendt (Foto) faszinierte mit Gesten, Grimassen und vollem Körpereinsatz. Er beherrscht das gesamte Repertoire großer Komödie: an einem Abend spielt der studierte Pädagoge bis zu 25 verschiedene Rollen und kann dabei urkomisch und gleichzeitig todernst wirken.

Bei einem Poetry Slam-Wettbewerb waren die Strafgefangenen aufgerufen, selbst aktiv zu werden. Wer wollte, konnte bei dem offenen Wettbewerb einen selbst geschriebenen Text vortragen.

Zuvor hatte der Lehrer Matthias Lerche mit nachdenklichen Texten, berührenden Dias und selbstkomponierten Liedern in den Abend eingeführt.

                                                                 Foto: NOTHilfe e.V.

Zu einem wichtigen Ritual ist geworden, KünstlerInnen und Strafgefangene nach den Aufführungen zu vereinen und über das gemeinsam Erlebte ins Gespräch zu kommen. Dies erleichtert ein kleiner Imbiß, mit dem der NOTHilfe e.V. zugleich ein Stück „Normalität“ in den Gefängnisalltag bringt.